Vorratsdatenspeicherung ist ein Skandal

Es ist ein Skandal, dass die großen Fraktionen im Europaparlament jetzt so einknicken. Der Richtlinienentwurf sieht nach dem "Kompromiss" zwischen den Parlamentsfraktionen und dem Rat vor, dass Internet Provider und Telefongesellschaften verpflichtet werden sollen, die Verbindungsdaten aller Nutzer, die beim Telefonieren und bei der Internetnutzung anfallen, für bis zu 24 Monate zu speichern. Diese Richtlinie stellt 450 Millionen Bürger der EU unter Generalverdacht. Ich bin sicher, dass dieser unverhältnismäßigen Bespitzelung der Bürgerinnen und Bürger spätestens nach der Umsetzung in nationales Recht in Karlsruhe Grenzen gesetzt werden. 

Der Virtuelle Ortsverein (VOV) vertritt die Auffassung, dass der bisherige in Deutschland gültige Zeitraum zur Datenspeicherung von Verbindungsdaten von 80 Tagen (nach Rechnungsversand) ausreicht. Der jetzt geplante Großangriff auf die Privatsphäre aller Bürgerinnen und Bürger macht keinen Sinn. Notwendig ist ein Datenschutz, der die Balance der Grundrechte wahrt. Eine Pflicht zur verdachtsunabhängigen Speicherung von Verbindungsdaten für die Zwecke der Strafverfolgung gab es bislang in Deutschland nicht. 2004 haben sich Bundesrat und Bundestag im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes ausdrücklich gegen die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung entschieden. 

Dieser Entscheidung lag die Erkenntnis zugrunde, dass die entstehenden Belastungen der Wirtschaft und die Eingriffe in die Rechte der Betroffenen dem Grundsatz der Datensparsamkeit, dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Vertraulichkeit von Daten widerspricht. 

Nimmt man den Datenumsatz vom DE-CIX (Deutscher Internetknoten in Frankfurt), an dem im Sommer 2005 über 40 Gigabit pro Sekunde „durchrauschen“, dann entspricht das einem Datenvolumen von 639.360 CD's pro Tag. Oder ausgedruckt und in Aktenordnern angelegt macht das über 81 Millionen Aktenordner. Jeden Tag. Da bin ich mal gespannt, wer diesen Datenfriedhof vernünftig verwaltet.

Die meisten Anfragen von Strafverfolgungsbehörden nach den begehrten "Verkehrsdaten" werden in der Regel binnen der ersten zwei bis drei Monate gestellt, in denen Telefongesellschaften und Internet Service Provider diese Daten in der Regel für Abrechnungszwecke vorhalten. In Frankfurt werden mit der bisherigen Speicherfrist schon heute 95 Prozent aller Delikte, wo der Computer für Straftaten benutzt wird, aufgeklärt. Im § 113 TKG ist darüber hinaus das manuelle Auskunftsverfahren seit 2004 umfassend geregelt. 

Wer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, hat nämlich im begründeten Einzelfall den zuständigen Stellen auf deren Verlangen unverzüglich Auskünfte zu erteilen, soweit dies für die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes erforderlich ist. In einem Rechtsstaat sollte ganz klar zwischen begründetem Einzelfall und Pauschalverdacht unterschieden werden. Dieses Augenmaß lassen die europäischen Pläne vermissen.