FAZ: Nach der Depression und vor der Erneuerung (28.02.2013)

Morgen wählt die Frankfurter SPD ihren künftigen Vorsitzenden. Die Stimmung in der Partei ist besser als die Lage.

Von Hans Riebsamen

Morgen versammelt sich die Frankfurter SPD zu ihrem Jahresparteitag in der Stadthalle Zeilsheim, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Der personelle Wechsel passt zum Stimmungsumschwung, der die Partei erfasst hat. Mit der Wahl des Genossen Peter Feldmann zum Oberbürgermeister ist die Zeit der Depression und der Mutlosigkeit, die nach der Bildung der Koalition von CDU und Grünen 2006 und der krachenden Niederlage des SPD-Vorsitzenden Franz Frey bei der Oberbürgermeisterwahl 2007 begann, vorbei.

Der neue Vorsitzende wird aller Wahrscheinlichkeit nach Mike Josef heißen. Mit dem Neunundzwanzigjährigen bringen die Sozialdemokraten den Generationswechsel entscheidend voran. In dieser Hinsicht ist der scheidende Vorsitzende Gernot Grumbach schon zuvor erfolgreich gewesen. Er hat nicht nur den Aufstieg Josefs ermöglicht, sondern auch neue Leute wie Imren Ergindemir oder Eugen Emmerling in die Parteiführung geholt.

Grumbachs im Stillen vollbrachtes Meisterstück war es jedoch, die Partei in schweren Zeiten zusammenzuhalten. Flügelkämpfe, in denen die SPD unterzugehen drohte, hat er eingedämmt. Und er hat inhaltliche Impulse gegeben: Bildung und Energiewende haben dank ihm in der SPD-Agenda an Gewicht gewonnen. Nur zu Kulturfreunden hat der literarisch gebildete Vorsitzende seine Genossen nicht machen können. Die SPD glaubt weiterhin, ohne geistige Meinungsführerschaft die Mainmetropole für sich gewinnen zu können.

Durch seine Aufgaben als Landtagsabgeordneter, Vorsitzender des SPD-Bezirks Hessen-Süd und Frankfurter Parteichef ist der Multifunktionär Grumbach extrem belastet gewesen. Gedrängt hat er sich nicht nach dem Frankfurter Führungsamt, er hat es eher aus Pflichtgefühl übernommen. Nun, da das Feld recht ordentlich bestellt ist, gibt Grumbach den Platz freiwillig und wohl mit einem leisen Seufzer der Erleichterung an einen Mann der jungen Generation ab.

Mike Josef, Sohn politischer Emigranten, der noch in Syrien zur Welt gekommen ist, aber in Ulm zur Schule ging, zählt nicht zur mittleren Generation der Frankfurter Genossen, die das Parteischiff einst auf Grund gesetzt hat. Er ist unbelastet und verkörpert eine neue Zeit. Sein Beispiel zeigt, dass die SPD gerade auch bei Zuwanderern und ihren Kindern Chancen hat, die sie noch beherzter nutzen müsste.

Optimal steht die SPD noch lange nicht da. Ein gefährlicher Krisenherd findet sich in den südlichen Stadtteilen. Die dortigen Ortsvereine haben einen äußerst kritischen Kurs gegenüber dem Flughafen eingeschlagen. Feldmanns Forderungen nach einer Ausweitung des Nachtflugverbots abends und morgens um je eine Stunde sowie Lärmobergrenzen gehen den Genossen in Sachsenhausen und Niederrad nicht weit genug. Sie verlangen die Schließung der neuen Landebahn und werden einen Mann zum Landtagskandidaten bestimmen, der genau dies fordert. Enttäuschungen scheinen hier programmiert. Denn selbst die gemäßigte Feldmann-Linie widerspricht der Politik der Landes-SPD. Von den Blaumann-Jobs, die der Flughafen als einer der wenigen Arbeitgeber noch bietet, redet in der einstigen Arbeiterpartei keiner mehr.

Der Kampf um die Landtagskandidatur zwischen dem Landebahn-Gegner Ralf Heider und Petra Tursky-Hartmann, die in der Flughafenfrage die Feldmann-Position vertritt, hat Gräben im Ortsverein Sachsenhausen aufgerissen. Mancher Altgenosse fühlt sich düpiert durch den Entschluss der Frankfurter Parteiführung, Lärmgegner in die Partei aufzunehmen, deren einziges Ziel es war, Heider zur Kandidatur zu verhelfen. Eine der ersten Aufgaben für den neuen Vorsitzenden Josef wird es sein, den wichtigen Ortsverein Sachsenhausen zu befrieden. Auch in Bornheim gärt es, nachdem nicht Michael Paris, sondern Jürgen Gasper zum Landtagskandidaten bestimmt wurde. Josef muss Paris, der für die SPD als ehrenamtlicher Stadtrat eine wichtige Position im Römer einnimmt, von einer Kurzschlussreaktion abhalten.

Auf der Habenseite kann die SPD ihre Wohnungspolitik verbuchen. Sie hat früher als andere erkannt, dass das Wachsen der Stadt mit stark steigenden Mieten einhergeht. CDU und Grüne laufen mit ihrer Wohnungspolitik hinter der SPD her, die jedes Mal, wenn der Magistrat einen Erfolg vermeldet, „mehr“ ruft.

Ansonsten können die Sozialdemokraten kaum mit wegweisenden Ideen aufwarten. Sie üben sich hauptsächlich in der Kunst, auf Missgeschicke und vermeintliche Fehler der Koalition von CDU und Grünen hinzuweisen. Im Stadtparlament kann die SPD mit dem schlagfertigen Klaus Oesterling auftrumpfen. Doch hinter ihm drängen sich nicht gerade die Talente. Der künftige Parteichef Josef täte gut daran, dem einen oder anderen wortgewandten Sozialdemokraten beim Einzug ins Parlament zu helfen.