Text: Holger Paul
Fotos: Ralf Werner
„Birne“, „Genschman“ und natürlich die „Zonen-Gaby“: Kultfiguren allesamt, geschaffen von einer Redaktion, die ihren Witz gleichermaßen mit fröhlichem Esprit und bitterer Galle versprüht. Seit 40 Jahren rückt die „Titanic“-Redaktion den Mächtigen und Frommen, Despoten und Heilsbringern auf den Pelz und seziert genüsslich ihre Widersprüche und Scheinheiligkeit.
Das Caricatura Museum in Frankfurt präsentiert bis Februar 2020 über 300 Titelseiten von Deutschlands bekanntester Satirezeitschrift. „Sowohl die Pardon als auch die Titanic wurden hier in Frankfurt gegründet“, begrüßte der Mitherausgeber und Leiter des Museums für Komische Kunst Achim Frenz die BdP-Landesgruppe, sie zeigen einen einmaligen Querschnitt durch viele gesellschaftliche Debatten.
Nicht erst seit dem islamistisch motivierten Terroranschlag auf „Charlie Hebdo“ sei vielen Menschen klar geworden, wie wichtig Satire – und somit auch das Museum – für unsere Gesellschaft sei. „Wir sind da noch lange nicht durch. Satire bezahlt den Preis für unsere Meinungsfreiheit.“
Die Hinter- und Abgründe eines „Titanic“-Titelblatts werden manchmal jedoch erst mit ein bisschen erklärender Hilfe vollständig deutlich. Ist der fromme Priester auf einem besonders umstrittenen Cover (Heft 4/2010: „Kirche heute“) wirklich dabei, dem gekreuzigten Jesus einen (symbolischen) „Blow-job“ zu verpassen – oder staubt er das Kruzifix nur ganz simpel ab, fragte Kurator und Ex-Redakteur Mark-Stefan Tietze die 35 Gäste der exklusiven Führung. Und was ist es nun, eine Anklage gegen die sexuelle Doppelmoral der Kirche oder der Hinweis auf verstaubte Traditionen? Die „Titanic“ liebt diese Zweideutigkeiten, aber natürlich kann die Redaktion auch mit dem Holzhammer draufhauen, wenn sie etwa Björn Engholm in Partylaune in eine Badewanne setzt, die unzweifelhaft Erinnerungen an den toten Uwe Barschel hervorruft.
Die Entscheidung für ein „Titanic“-Cover sei auch kein vorgefertigter Prozess, sondern jedes Mal eine neue, intensive Diskussion mit offenem Ausgang, erläutert Tietze. Deshalb sind die Cover abwechslungsreicher, spontaner und häufig auch chaotischer als die durchdesignten Titelblätter am Kiosk. „Die Titanic muss, wenn sie etwas Schrottiges parodiert, auch schrottig aussehen!“ Gerne nimmt sich die Redaktion auch des Medienbetriebs an – und damit die Kollegen von Spiegel, Stern & Co. aufs Korn. Und dann sehe ein Titanic-Cover, so Tietze amüsiert, „eben fast wie ein Spiegel-Cover aus.“ Fast …
Auf zwei Stockwerken inklusive Treppenhaus erstreckt sich die Ausstellung im Haus. Und zeigt, dass Satire eben doch (fast) alles darf. Und das, was nicht sein darf – also die gerichtlich verbotenen Cover – werden einfach mit einem dicken schwarzen „Verboten!“-Vlies bedeckt. Darunter schauen dürfen die Besucher trotzdem, schon allein deshalb, weil sich weder „Titanic“ noch die Caricatura ihre Meinung von der Justiz verbieten lassen wollen. Seine ganz persönliche Grenze, so Tietze, sei beispielsweise einmal bei einem Cartoon erreicht gewesen, der die gestreifte Häftlingskleidung von Auschwitz mit Pyjamas verglichen habe.
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