BdKom: Vom Print in die digitale Zukunft - 75 Jahre F.A.Z. und der Wandel im Qualitätsjournalismus


Text: Holger Paul, Fotos: Ralf Werner

„Kluge Köpfe treffen auf kluge Köpfe“ – das war zwar nicht das offizielle Motto, unter dem gut 50 BdKom’ler der Landesgruppe Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland und der Fachgruppe Wirtschafts- und Finanzkommunikation in den F.A.Z.-Tower im Frankfurter Europaviertel kamen. Vielmehr standen Vergangenheit und Zukunft des renommierten Medienhauses auf der Agenda des Treffens. Aber sowohl die Erläuterungen von F.A.Z.-Herausgeber Gerald Braunberger und den beiden Ressortchefs Inken Schönauer und Sven Astheimer als auch die tiefgreifenden Fragen der Besucher zeugten von einer großen Kenntnis und Wertschätzung jener „Zeitung für Deutschland“, die vor 75 Jahren an den Start ging und heute mehr denn je ein fester Pfeiler des Qualitätsjournalismus und der Meinungsfreiheit ist.


Dies war bereits zum Start im Jahr 1949 so gewollt, wie Herausgeber Braunberger mit dem Verweis auf die feste Überzeugung der Gründungsunternehmer begründete, dass das kriegsgeschundene Land eine starke Stimme für die freiheitliche Marktwirtschaft benötige. Und eine wirklich unabhängige Redaktion. Letzteres wurde dann auch juristisch verankert durch die Gründung der FAZIT-Stiftung im Jahr 1959 und seitdem kompromisslos gelebt. „Die Herausgeber der F.A.Z. sichern die vollständige publizistische Freiheit des Blatts“, betonte Braunberger – egal, ob in der Frankfurter Hellerhofstraße, wo Redaktion und Verlag jahrelang residierten oder nun im modernen und markanten F.A.Z.-Tower, in den das Medienhaus vor rund anderthalb Jahren einzog.


Aber die große Zeitenwende namens Online-Inhalte, die alle Zeitungshäuser seit der Jahrtausendwende immer mehr unter Druck setzt, hat natürlich auch die F.A.Z. nicht verschont. „Wir sind mitten in der Transformation, wir schlagen uns wacker“, versicherte Braunberger. Was bedeutet: Die Zahl der Online-Abonnenten und ePaper-Leser wächst, „inzwischen hat die digitale Zeitung ein Drittel der verkauften Auflage von F.A.Z. und Sonntagszeitung erreicht“. Hinzu kommen tägliche Podcasts, die Einführung des ersten Themen-Newsletters (D:Economy), dem im Herbst ein weiterer zur Weltpolitik folgen soll sowie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz – in klar definierten Grenzen, wie Braunberger betonte: „Wir veröffentlichen keine Artikel, die nicht von Journalisten geschrieben wurden!“ Aber Redakteure können KI-Tools nutzen, um sich Ideen zu holen.

 
Insgesamt trage das digitale Geschäft bereits 50 Prozent zum Ergebnis der F.A.Z. bei, hieß es. Das Online-Angebot FAZ+ hat aktuell 140.000 Abonnierende. FAZ+ und die digitalen Ausgaben der Zeitungen bringen zusammen eine höre Auflage, als bei der gedruckten Zeitung verloren geht. Geht es mit Print bald zu Ende? Nicht, wenn es nach dem Willen der Herausgeber geht. „Ich sehe nicht, dass wir keine Zeitung mehr drucken“, betonte Braunberger. Zugleich räumte er ein, dass auch ein großes Verlagshaus mit einem ganz profanen Problem kämpft: Den Zeitungen, deren Vertrieb die F.A.Z. deutschlandweit mit nutzt, gehen die Austräger aus. Ist hier der Wechsel auf das ePaper hier eine Alternative? „Ja, aber das muss den Lesern sehr gut erklärt werden“, sagte der Herausgeber. Und natürlich muss sich auch die F.A.Z. enorm strecken, um junge Leser überhaupt zu erreichen. „Das geht nur über gute Artikel im Online-Angebot.“ Und über „junge“ Kommunikationskanäle wie TikTok, wo das Blatt jüngst eine eigene Präsenz gestartet hat.


Für Inken Schönauer (Ressortleiterin Finanzen) und Sven Astheimer (Ressortleiter Unternehmen) hat sich der berufliche Alltag ebenfalls stark verändert, wie beide anschaulich schilderten. Die Zeiten mit festen Tagesabläufen bis zum ersten Andruck sind passé, es wird viel häufiger konferiert, Inhalte werden laufend getauscht und optimiert und für die Nachtzeit hat auch die F.A.Z. inzwischen Kollegen in Asien verpflichtet, die aktuelle Inhalte aus Fernost und Amerika auf die Webseite heben. „Wir sind keine reinen Ressortleiter mehr, das Aufgabenspektrum ist viel breiter geworden“, beschrieb es Astheimer.


Wobei die wichtigste Aufgabe der Redaktion unverändert geblieben ist: Themen sortieren und erklären. „Aber wir müssen angesichts der großen Online-Konkurrenz viel mehr überlegen, was wirklich relevant ist für die Leser“, erläuterte Schönauer. Nackte Bilanzzahlen sind es schon lange nicht mehr, selbst wenn sie von einer der großen Frankfurter Banken stammen. Gesucht wird die Geschichte dahinter – und wenn es die nicht gibt, dann fällt auch mal eine Commerzbank oder Deutsche Bank durchs Raster. Aber auch große, eigentlich weltbewegende Themen müssen journalistisch in der F.A.Z. inzwischen deutlich mehr heruntergebrochen werden, weil die Leser es so wollen. Nachhaltigkeit zum Beispiel ist ein „Aufregerthema“, wenn es etwa um den Vorwurf geht, dass eine bekannte Fondsgesellschaft mit „grünen“ Produkten wirbt, in denen aber vielleicht gar nicht so viele „grüne“ Anlageobjekte stecken. „Aber Nachhaltigkeit als Wort ist ein Rausschmeißer geworden, da steigen die Leser schnell aus“, ergänzte Astheimer.


Nach dem Redaktionsgespräch konnten die BdKom-Gäste noch einen Blick in den 15. Stock des F.A.Z.-Towers werfen, wo die Unternehmensberichterstattung beheimatet ist. In den modernen Räumen lässt sich mit einem tollen Panorama-Blick auf Frankfurt arbeiten. Sven Astheimer erläuterte dabei, dass die alten Räumlichkeiten in der Hellerhofstraße in Frankfurt längst abgerissen seien. Also dann: Auf die nächsten 75 Jahre Frankfurter Allgemeine Zeitung.