„Wie wir mit KI umgehen, ist eine Wertefrage“
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zu Gast im Frankfurter Presseclub
Am 8. Oktober fand im Frankfurter Presseclub eine spannende Diskussion über den Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) und #BookTok auf die Buchbranche statt. Unter der Moderation von Karsten Frerichs, Vorstandsmitglied des Frankfurter Presseclubs, diskutierten Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, und Carmen Udina, Co-Sprecherin der IG Digital im Börsenverein und Mitglied der Geschäftsleitung beim Friedrich Verlag, die Chancen und Herausforderungen der neuen Entwicklung.
„Bücher öffnen die Augen für das Weltgeschehen“
Sind Kriege, Klimakatastrophe, Rezession und gesellschaftliche Spaltung eine „gute“ Zeit für das Buch, um dem trüben Alltag zu entkommen? Für Karin Schmidt-Friderichs haben Bücher in Zeiten der Polykrise eine wichtige Funktion – und werden dementsprechend nachgefragt würden. Neben dem Abtauchen in neue Welten erlebe sie ein zunehmendes Interesse an Fakten, um zum Beispiel die Wurzeln des Nahost-Konflikts zu ergründen. „Bücher öffnen die Augen für das Weltgeschehen.“ Das sei mit ein Grund, warum der Börsenverein am 20. Oktober die polnisch-amerikanische Historikerin und Journalistin Anne Applebaum mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche auszeichne.
Mit #BookTok über Nacht auf Bestsellerlisten
„Ist #BookTok heute, was früher das „Das Literarische Quartett“ war?“ fragte Frerichs die beiden Verlagsmanagerinnen. BookTok ist ein Trend innerhalb der Social-Media-Plattform TikTok, wo in kurzen emotionalen Videos Bücher rezensiert werden. Es geht um Authentizität, so Udina, das mache BookTok aus. Früher hat sich das Marketing mehr an den Buchhandel und weniger an die Leser gerichtet, das hat sich durch Social Media verändert. Jetzt laufe viel im Marketing direkt an die Endkunden. Wenn ein Buch bei #BookTok trendet und die Herzen der Fans erobert, kann es über Nacht auf den Bestsellerlisten landen.
Der Umgang mit Künstlicher Intelligenz ist eine Wertefrage
Ausführlich erörtert wurde die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz für Verlage, den Buchhandel und Autoren. KI-Systeme ermöglichen zwar eine effizientere Prozessoptimierung, und werden bereits in der Auflagenplanung und im Kundenservice eingesetzt. Doch werfen sie gleichzeitig viele Fragen zum Urheberrecht auf. „Der Börsenverein beklagt Urheberrechtsverletzungen in bisher nicht dagewesenem Ausmaß durch generative KI-Systeme wie Chat GPT oder Dall-E. Was meinen Sie damit?“ hakte Frerichs nach. Da Künstliche Intelligenz millionenfach urheberrechtlich geschützte Inhalte abgreift, fordert der Börsenverein klare Regeln, damit das geistige Eigentum von Autoren und Kreativen geschützt und angemessen vergütet werde, stellte Karin Schmidt-Friderichs klar. Nur mit Zustimmung der Rechte Inhabenden dürften urheberrechtlich geschützte Werke für KI-Trainings verwendet werden. Umgekehrt stelle sich auch die Frage, ob von KI-Programmen erstellte Texte urheberrechtlich geschützt sind.
„Ein Algorithmus ist Tütensuppe und kein Gourmetessen“
Die Diskussion berührte auch die Frage, wie Künstliche Intelligenz das Schreiben beeinflusst. Schmidt-Friderichs unterstrich, dass KI beim Schreiben unterstützen, Anregungen gebe könne, am Ende aber immer der kreative Mensch stehe. „Ein Algorithmus ist Tütensuppe und kein Gourmetessen.“
Die Buchhandlung heute: ein Ort der Inspiration
Jedes Buch bedient ein unbewusstes Bedürfnis. Diese so genannte Lesemotiv lasse, so Karin Schmidt-Friderichs, Menschen Bücher kaufen und lesen. Es mache einen Unterschied, ob man eine Geschichte mit Krimihandlung lese, um sich den Nervenkitzel ins Haus zu holen oder um zu entspannen. Basierend auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen und mithilfe Künstlicher Intelligenz werden Werke automatisiert unbewussten Bedürfnissen zugeordnet. Mit diesem Wissen können Verlage und Buchhandlungen Bücher konsequent vermarkten – von der Covergestaltung über die Formulierung der Klappentexte bis hin zur Präsentation im Schaufenster und der Ansprache von potenziellen Buchkäuferinnen und Buchkäufern in den sozialen Medien. Wie das funktioniert, zeigt der Leitfaden „Lesemotive für Dummies“ des Technologie- und Informationsanbieters MVB, einem Tochterunternehmen des Börsenvereins. „In unserer schnelllebigen, reizüberfluteten Zeit brauchen Menschen Möglichkeiten, um sich schnell zu orientieren“, betonte Schmidt-Friderichs. Und wenn Bücher eindeutige Signale senden, welches Bedürfnis sie bedienen und entsprechend angeordnet sind, dann werde eine Buchhandlung zu einem „Ort der Inspiration“.