„Buchhandel passiert weltweit auf der Basis von Vertrauen“ - FPC-Hausbesuch bei der 77. Frankfurter Buchmesse


Fotos: Rainer Rüffer, Petra Tursky-Hartmann

Am 17. Oktober hatten fünfzehn FPC-Mitglieder exklusiv die Chance, Dr. Torsten Casimir auf der Frankfurter Buchmesse zum Infogespräch zu treffen. Der ehemalige Chefredakteur des Fachmagazins „Börsenblatt“ leitet seit 2023 die Kommunikationsabteilung der Buchmesse. Als Mitglied der Geschäftsleitung ist er mitverantwortlich für die Entwicklung neuer Angebote und den Ausbau von Partnerschaften der weltgrößten Plattform der Publishing-Branche bzw. der Creative Industries. Das sei „Business pur an 540 Tischen“ im Literaturagenten-Zentrum und an den Ständen der Verlage. 


Frankfurter Buchmesse: Globaler Handelsplatz und Resonanzraum

 7.500 Journalisten, davon etwa ein Drittel Content-Kreatoren, über 4.300 Aussteller aus 92 Ländern, 238.000 Besucher an fünf Messetagen und eine Vielzahl an Autorinnen und Autoren – die 77. Frankfurter Buchmesse ist sowohl globaler Handelsplatz für Lizenzen und Rechte als auch Resonanzraum für politische Debatten in bewegten Zeiten. „Buchhandel“, so Casimir, „passiert weltweit auf der Basis von Vertrauen. Und Vertrauen entsteht nur in der persönlichen Begegnung.“


Neue Fankulturen und rechte Verlage

Unter „New Adult“, „Young Adult“ oder „Dark Romance“ verzeichne die Branche seit einigen Jahren „eine völlig neu geartete Liebe“ von jungen, überwiegend weiblichen Menschen zwischen 15 und 35 Jahren zum gedruckten Buch. Für diese Fans wurden in der Halle 1.2 bzw. der Festhalle neue Areale für Begegnungen wie „meet the author“ geschaffen. Weit über 80 Prozent der BookTok-User, so Casimir, sind weiblich, männliche Jugendliche empfänden nach ihrer Kinderbuch-Zeit „das Betreten einer Buchhandlung oft eher als unmännlich. Viele Buchhandlungen arbeiten daran, diese Zielgruppe niederschwellig anzusprechen und in die Läden zu holen.“

Interessant sei auch, dass nahezu alle rechten Verlage mittlerweile ihre Lust an Auftritten in Frankfurt verloren hätten. Man bleibe nun lieber unter sich und veranstalte in Halle an der Saale – „ausgerechnet um den 9. November herum“ – erstmals die von der Dresdnerin Susanne Dagen initiierte Büchermesse „SeitenWechsel“.


KI und „Digitaler Kolonialismus"

Künstliche Intelligenz habe für die Buchbranche eine „helle und eine dunkle“ Seite. Positiv sei, dass KI in vielen Verlagsprozessen – von Themenplanung über Recherche bis zur Texterstellung etwa im Ratgeberbereich – bereits eine hilfreiche Rolle spiele.  Vor der dunklen Seite – den Bedrohungen des Literaturbetriebs durch die großen Tech-Konzerne – habe Kulturstaatsminister Wolfram Weimer anlässlich der Eröffnung der 77. Buchmesse eindringlich gewarnt. Amerikanische und chinesische Tech-Giganten trainieren aktuell ihre KI-Systeme mit Millionen von Werken, ohne die Einwilligung der Urheber einzuholen, geschweige denn, sie dafür zu bezahlen. Das sei laut Weimer „digitaler Kolonialismus“.


Der Kampf findet in der Hosentasche statt

In Halle 4 auf der „Centre Stage“ diskutierten die philippinische Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa mit Ex-NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg über Krisen, Sicherheitspolitik und Menschenrechte. Die 2021 ausgezeichnete Investigativ-Journalistin mahnte eindringlich vor Desinformationskampagnen in den sozialen Medien. „Dieser Kampf findet in Ihrer Hosentasche statt“, betonte sie und zeigte ihr Smartphone.


Ehrengastland Philippinen - "Fantasie beseelt die Luft"

Ehrengast im Jahr 2025 sind die Philippinen, ein Land, das aus 7.641 Inseln mit 134 indigenen Sprachen besteht. Auf sechs "Inseln" aus Bambus, Muscheln und Ananasgewebe, konnten alle Interessierten zum Abschluss des FPC-Hausbesuchs dem literarischen Programm lauschen, Bücher entdecken oder Geschichtliches erfahren. Ehrengast in 2026 ist Tschechien.