FPC: Lehren aus Corona – 5 Jahre nach Beginn der Pandemie

 


Lehren aus Corona – 5 Jahre nach Beginn der Pandemie 

Fotos: Rainer Rüffer

Die Corona-Pandemie war ein enormer Belastungstest für die deutsche Gesellschaft. Bereits 2021 hat die Studie „Einseitig, unkritisch, regierungsnah?“ die Corona-Berichterstattung der deutschen Medien kritisch unter die Lupe genommen. „Wenn wir auf 5 Jahre Corona zurückblicken“, begrüßte Karsten Frerichs (FPC-Vorstand) den Mainzer Kommunikationswissenschaftler Marcus Maurer und Martin Stürmer, Dozent für Virologie an der Goethe-Universität in Frankfurt, im Frankfurter Presseclub, „stellt sich die Frage: Ist Vertrauen in Politik und Wissenschaft verloren gegangen?“


80 Millionen Virologen

Martin Stürmer konnte sich noch sehr gut an sein erstes Radio-Interview mit dem Deutschlandfunk zum Corona-Virus erinnern. Von Anfang an sei ihm immer sehr wichtig gewesen, Wissen zu vermitteln. Allerdings habe er im Januar 2020 nicht im Entferntesten geahnt, was mit seinem ersten Interview losgetreten wurde, innerhalb weniger Tage sei er dann von der „einen Seite der Mattscheibe auf die andere Seite“ zu Claus Kleber und Markus Lanz gewechselt. Rückblickend habe er leider den Fehler gemacht, bei YouTube die Kommentare zu den TV-Sendungen zu lesen. „In was für einer Gesellschaft lebe ich eigentlich?“, habe er damals gedacht. Mittlerweile könne er die ganze Bandbreite an Beleidigungen und Verschwörungstheorien mit einem „milden Lächeln“ über sich ergehen lassen. „Wenn Fußball gespielt wird, haben wir 80 Millionen Bundestrainer in Deutschland. Und in der Pandemie hatten wir eben 80 Millionen Virologen, das ist halt so.“ Unangenehm sei es erst in dem Moment geworden, als der Zaun seines Hauses und sein Auto mit weißer Farbe beschmiert wurden. „Das kam dann doch sehr nah und hat zu Spannungen in der Familie geführt.“


Die Medien: Einseitig, unkritisch und regierungsnah?

Den Mainzer Kommunikationswissenschaftler Marcus Maurer interessierte schon sehr früh, ob die Vorwürfe stimmen, dass Medien einseitig, unkritisch und regierungsnah über die Pandemie berichten. „Einseitig kann man schon ein bisschen sagen,“ stellte er in einer empirischen Inhaltsanalyse fest. Man könne es aber rückblickend für diese Ausnahmesituation richtig finden, um die Pandemie erfolgreich zu bekämpfen. Unkritisch und regierungsnah sei die Berichterstattung sicher nicht gewesen, eher im Gegenteil. Kritisch sah er allerdings den Befund, dass die Medien „sehr, sehr negativ über Politik“ berichtet haben, und je länger die Pandemie angedauert habe, auch sehr negativ über die Wissenschaft. Außerdem sei der Kreis an Experten, der von den Journalisten befragt wurde, sehr klein gewesen. „Erst war das sehr lange Christian Drosten, und dann Karl Lauterbach.“ Beide hätten lange für harte Maßnahmen plädiert, das könne man heute durchaus kritisch sehen, dass damals andere Stimmen nicht oft gehört wurden.


Team Vorsicht versus Team Freiheit

„Wenn wir etwas aus der Pandemie gelernt haben, dann das, dass viele Menschen aus anderen Fachrichtungen nicht gehört wurden“, äußerte sich Martin Stürmer kritisch. „Ich habe kein Problem damit, zum Team Vorsicht einsortiert worden zu sein, weil ich am Anfang den Infektionsschutz nach vorne gestellt habe“, sagte er. Allerdings seien viele psychologische und soziale Aspekte vernachlässigt worden. Nachdenklich habe ihn ein Gespräch mit einem Kollegen gemacht, der ihn darüber aufgeklärt habe, was die Lockdowns bei Kindern, die ihre Freunde nicht mehr treffen durften oder nicht zum Sport gehen konnten, angerichtet habe. „Ich glaube, das ist eine der wichtigsten Lehren aus dieser Pandemie, dass man am Anfang der infektiologischen Seite so sehr den Vorrang gegeben und erst viel zu spät andere Disziplinen mit an Bord genommen hat.“

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